Radikal neu – „Hommage à Rolf Liebermann“

Radikal neu – „Hommage à Rolf Liebermann“

NZZ 28.9.2010, Michelle Ziegler

Er war ein Kosmopolit, spielte Bridge und fuhr gerne schnelle, schöne Autos: Rolf Liebermann war eine illustre Persönlichkeit. Am 14. September wäre der in Zürich geborene Cabaret-Musiker, Radioschaffende, Opernintendant und Komponist hundert Jahre alt geworden. Um diesem Jubiläum klanglich Nachhall zu verschaffen, hat das Nachwuchs-Festival „Herbst in der Helferei“ eine „Hommage à Rolf Liebermann“ veranlasst.

Mit persönlichen Kommentaren führte Daniel Fueter durch den ersten Programmteil, in dem Studenten der Hochschule der Künste Zürich kammermusikalische Werke Liebermanns aufführten. Darin zeichnete sich Liebermanns charakterisches Idiom ab: die persönliche Ausgestaltung der bei Vladimir Vogel erlernten Zwölftontechnik und die Aneignung von Jazzelementen.

Simone Keller deutete das Werk gescheit aus und liess die Ausdrucksvielfalt vom Klangsinnlichen bis zum rhythmisch Markanten hervortreten. Der Tenor Eduardo Koch-Buttelli gestaltete die an Arnold Schönberg erinnernden „Chinesischen Liebeslieder“ prägnant, was sich mit der klanglich ausbalancierten Begleitung von Anna Bertogna ergänzte. Weniger differenziert interpretierte das Duo Sophie Queteschiner und Sofia Rubashkina das „Lied der Yvette“ aus Liebermanns Oper „Leonore“. Alexander Boeschoten mangelte es im technisch anspruchsvollen „Boogie Woogie“ aus dem „Concerto for Jazzband and Orchestra“ an Leichtigkeit, hingegen gelang ihm in „Essay 81“ mit dem Cellisten Payam Taghadossi eine ausgereifte Interpretation.

Mit George Gruntz führte ein weiterer Weggefährte Liebermanns durch die zweite Programmhälfte. Sie warf Licht auf Liebermanns Drang nach dem radikal Neuen, der sich in seiner unbeirrten Unterstützung der Avantgarde und des Jazz äusserte. Er war es, der mit Gruntz immer wieder über das epochenmachende Projekt einer Jazzoper mit Jazzmusikern sprach und „Cosmopolitan Greetings“ schliesslich – nach einem am Abspringen des Geldgebers gescheiterten Versuch in Paris – in Hamburg zur Aufführung brachte. Naben den vielen Worten sprach in der Helferei vor allem die Musik: ein zusammen mit Franco Ambrosetti narrativ gezeichneter Jazz – ganz nach Liebermanns Geschmack.